Marlen prominent im Schweizer Tagesanzeiger: Ein Dossier über sexpositiven Feminismus in einer der auflagenstärksten Zeitungen des Landes. Mit wundervollen Mit-Pionierinnen im Portrait – mit > Laura Meritt von Sexclusivitäten und Pornodarstellerin > Jasko Fide verbindet mich eine jahrelange Freundschaft und aktivistische Geschichte. Mit Jasko sogar eine „fesselnde Verbindung“, wie Du auf > diesen Fotos sehen kannst.
Gemeinsam kämpfen wir gegen fehlverstandenen „Schutz“ von Frauen* und finden, dass jede Frau* selbst wissen kann, was und wie sie ihren Sex lebt. Verbote und Zensur haben dabei noch nie geholfen. Vielen Dank an die Journalistin Anielle Peterhans für diesen mutigen Artikel!
Text: Anielle Peterhans aus Berlin für den Schweizer Tagesanzeiger vom 02.07.2022
Meine Katze dankt dem Fotografen Norman Konrad für die Fotos und den großen Auftritt – ich natürlich auch!
Hier findest Du den Artikel als pdf
LINKS:
Infos zu meinen Mit-Porträtierten:
– Porno-Darstellerin Jasko Fide
– Sexshop Berlin by Laura Méritt: Sexclusivitäten
In der Schweiz:
– Zwischenwelten by Michaela Fuchs & Sidonia
Mit den Zwischenwelten arbeite ich seit 2013 zusammen – diesen Oktober halte ich dort den Workshop „Exploring D/S“ und noch sind Plätze frei :-).
– Film Kunst Festival: Porny Days organisiert von Talaya Schmid
Weiteres:
– Das Freudenfluss Netzwerk
– PorYes Feminist Porn Award Europe
– Sexshop Berlin: Other Nature
– Filme und Fotos Goodyn Green
– HardWerk: Erotic Feminist Film
– Erika Lust: Pornofilmerin
– Feministische Wissenschaftlerin Madita Oeming
– Pleasure-Aktivistin Polly Fannlaf
Porno, Prostitution und Feminismus: Wer wissen will, wie das zusammengeht, muss nach Berlin, Hauptstadt der sexpositiven Szene. Besuch bei drei Frauen, die sie prägen.
Eine schwarze Katze stolziert durch das Studio im Dachgeschoss, unter grossen Ringen hindurch, die an Seilen von der Decke hängen, bis zu einem Bild mit gefesselten nackten Frauen drauf. Es duftet nach Holz und Rose. «Ich räuchere meine Räume gern», sagt Kristina Marlen und nimmt die Katze auf den Arm. «Menschen hinterlassen manchmal ihre eigene Duftnote – und ihre Körperflüssigkeiten.» Sie lächelt.
Kristina Marlen setzt sich im Schneidersitz auf den Samtsessel. Sie ist 44 Jahre alt, gross, sorgfältig geschminkt, trägt ihre Haare rechts länger als links. Ihre Zahnlücke blickt bei jedem Lächeln zwischen den dunkelrot angemalten Lippen hervor.
Bondages, Fesseln, sind in ihrem Studio in Berlin-Mitte omnipräsent. Auf den Bildern an den Wänden, auf den Kissen am Boden. Hier bietet Marlen seit über zehn Jahren «Sessions» für Einzelpersonen und Paare an, für Frauen, Männer und Transgender – «Sessions» sind sexuelle Dienstleistungen. Ab 450 Euro aufwärts.
Marlen arbeitet in genau jener Branche, über die sich Feministinnen seit Jahren streiten. Radikalfeministische Vorreiterinnen wie die deutsche «Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer sehen gerade Prostitution oder BDSM (englisch für Fesselung, Disziplin, Dominanz und Unterwerfung) bis heute als Repräsentation eines ungleichen Geschlechterverhältnisses. Sexpositive Feministinnen dagegen sehen darin ihr Recht auf sexuelle Lust und Freiheit.
Sexpositiv heisst, egal um welche sexuelle Orientierung und Vorliebe es geht, Sexualität ist gut und gesund – solange alle Beteiligten einverstanden sind. Kann eine Frau, die ihren Körper verkauft, wirklich selbstbestimmt sein?
In Berlin durchdringt die weibliche Emanzipation fast alle Lebensbereiche. Der Internationale Frauentag am 8. März ist hier ein arbeitsfreier gesetzlicher Feiertag. Film- und Musikfestivals feiern feministische Kulturschaffende, Verlage und Medien werben mit emanzipatorischer Agenda.
Und die deutsche Hauptstadt wurde neben New York und Köln früh zum globalen Sehnsuchtsort für Lesben und Schwule. Bereits 1897 gründete sich in Berlin die weltweit erste politische Organisation, die sich für eine Straffreiheit von gleichgeschlechtlicher Sexualität einsetzt. Schritt für Schritt ging es liberal und tolerant weiter. Ende der 70er-Jahre fand in Berlin die weltweit erste Gay Pride statt.
In Berlin ist ein grosser Teil der Feministinnen queer. Sie kämpfen nicht mehr nur für Lohngleichheit oder für bezahlte Care-Arbeit. In dieser Stadt geht es ihnen – zusätzlich – um ihr Recht auf Sexualität.
Dafür kämpft auch Kristina Marlen. Die Berlinerin arbeitete früher als Physiotherapeutin. Das Studium finanzierte sie sich mit Massagen. Eines Tages bekam sie die Anfrage, ob sie diese auch in erotischer Art durchführen könne. Aus Neugier und weil das Geld knapp war, probierte sie es aus. Und fühlte sich danach nicht so, wie sie es erwartet hätte. Kein Trauma. Keine Reue. Keine Scham. «Total unspektakulär», sagt sie, «die Person hatte einfach einen Orgasmus.»
Marlen verdiente Geld dazu und der Mensch war glücklich. Marlen war irritiert. Sie fragte sich, ob sie «nicht ganz normal» sei. Wieso dachte sie nur, dass eine Frau so etwas nicht wollen kann? Welche Vorstellungen von Weiblichkeit liegen dem zugrunde?
Kristina Marlen beschreibt sich als Kind des 80er-Jahre-Feminismus. Ihre Mutter setzte sich politisch für Frauenrechte ein. Mit 13 pinnte sie sich «PorNo»-Sticker an die Jacke. Zu Hause lagen Ausgaben der «Emma». Wie ihre Herausgeberin Alice Schwarzer lehnte auch Marlen Prostitution oder Pornografie ab. Sex ohne Liebe kann doch nicht richtig sein.
Schwarzer hat für die Frauen gekämpft. Sie hat etwa das Recht auf Abtreibung vorangetrieben. Gleichzeitig schrieb sie schon in ihrem 1975 veröffentlichten Buch «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen»: «Mir ist heute klar geworden, dass die Sexualität der Angelpunkt der Frauenfrage ist: Spiegel und Instrument der Unterdrückung der Frauen. Hier fallen die Würfel. Hier liegen Unterwerfung, Schuldbewusstsein und Männerfixierung von Frauen verankert.»
Schwarzer hat ihre Meinung bis heute nicht geändert – Kristina Marlen ihre radikal.
«Ich kam zum Schluss, dass ich lieber die Geschichten rund um die Sexarbeit hinterfragen will anstatt mich selbst», sagt Marlen heute. Sie verkaufe ja nicht sich, sondern eine Dienstleistung – «und ich bin frei und ziemlich kreativ, wie ich diese gestalten will». Warum den Frauen diese Selbstbestimmung ausgerechnet von Feministinnen abgesprochen werde, ist ihr bis heute ein Rätsel.
Marlen ist Expertin für japanische Fesselkunst, kombiniert Tantra-Methoden mit Sexpraktiken, die mit Dominanz und Unterwerfung spielen. Ihre eigene BDSM-Technik gibt sie in Workshops weiter – auch in der Schweiz. Für Marlen gibt es keine Sexpraktiken, die per se frauenfeindlich sind. Die Machtverhältnisse spiegelten sich dort, wo darüber verhandelt werde. Konkret heisst das: Wer gern gefesselt wird oder sich verhauen lassen möchte, ist weder schwach noch eine schlechte Feministin, solange dabei vereinbarte Grenzen eingehalten werden.
Marlen will ihren Kundinnen und Kunden einen sicheren Forschungsraum bieten. «Hier muss niemand performen, keine Frau gut aussehen und kein Mann seine Männlichkeit stehen.» Menschen sollen lernen, Berührung zuzulassen.
Wie schwierig das sein kann, zeige sich einerseits ausgeprägt bei Menschen, die Opfer von sexuellen Übergriffen geworden seien oder häusliche Gewalt erlebt hätten, erklärt sie. «Trauma und Sex sind dann tief verwoben. Es bedarf vieler Arbeit, sich den eigenen Sex wieder anzueignen.»
Der naheliegende Ausweg sei, dass man sich Sex ganz verbiete. Das Ausgeliefertsein, das viele beim Sex verspürten, sei aber auch einfach kulturell
erlernt. «Wir lernen häufig, Berührung, insbesondere sexuelle, zu dulden, statt zu gestalten. Uns wird weder das Nein-Sagen richtig beigebracht noch das aktive Ja-Sagen, um klarzumachen, was uns gefällt.» Gerade viele Frauen seien nicht gut darin, ihre sexuellen Grenzen zu kommunizieren. Und davor noch: Sie würden sie auch nicht kennen.
Während einer Session kommuniziert eine Person mit einem Codewort, wenn die persönliche Grenze erreicht wurde. Danach erhält Marlen manchmal Mails mit wilden Beschreibungen des erlebten Orgasmus. «Das ist grossartig, Sex ist so vielfältig – das soll jeder wissen.»
Marlen hat ihre feste Stammkundschaft und pflegt einen professionellen Webauftritt. Trotzdem bekommt sie diese Mails mit nur einem Satz: «Bock auf Ficken?» Sie kann solche Anfragen leicht ignorieren – andere Frauen haben diese Freiheit nicht.
Marlen ist eine von ungefähr 6000 Sexarbeiterinnen in Berlin, die offiziell registriert sind. Deutschland hat, wie die Schweiz, eine legale und liberale Sexindustrie.Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern wie etwa Schweden. Kritikerinnen und Kritiker sagen, der liberale Umgang fördere die Ausbeutung, den Menschenhandel. Und es kann dazu führen, dass sich viele Prostituierte auf Berlins Strassen für 20 Euro anbieten müssen.
Sind auch diese Frauen selbstbestimmt? Das sei zu generalisierend gefragt, sagt Marlen. Sexarbeit sei auch in Deutschland noch kein normaler Beruf, weil die Arbeit stigmatisiert werde. «Für manche ist es wie für mich: eine Berufung. Andere machen es einfach, um Geld zu verdienen. Was auch in Ordnung ist.» Nicht okay sei es erst, wenn Menschen zu Sexarbeit gezwungen würden – «das ist Vergewaltigung, Freiheitsberaubung oder Nötigung und gehört zu Recht unter Strafe gestellt».
In der Sexbranche zeige sich viel zu häufig die soziale Ungerechtigkeit in der Herkunft, im Geschlecht und in der ethnischen Zugehörigkeit. Daran schuld sind für Marlen die Bedingungen, unter denen diese Menschen arbeiten müssen – nicht die Arbeit an sich.
Für Frauen, die aussteigen wollten, brauche es mehr Beratungsstellen und Auffangnetze, keine Verbote und Repressionen. Diese würden sich negativ auf viele Sexarbeiterinnen auswirken. «Wo Verbote sind, haben Sexarbeitende keine Rechte. Und für die kämpfen wir – erst recht im Feminismus.»
In einigen Quartieren Berlins wird Diversität grossgeschrieben. Etwa im queeren Neukölln oder im jungen Kreuzberg. Hier werden in Sexshops wie Other Nature oder Sexclusivitäten Sextoys für alle Geschlechter und für solche ohne Geschlecht angeboten. Die Toys sind in Pink, Schwarz oder Nude, aus Silikon, Stein bis hin zu Glas wie Kunststücke in einer hellen und freundlichen Umgebung ausgestellt. Das schmuddelige Gefühl beim Betreten eines Sexshops ist passé.
Auch Berlins Partyszene ist für ihre Offenheit im Umgang mit Sex bekannt. An diversen sexpositiven Partys gilt: nichts müssen, alles dürfen. Dafür reisen Partytouristen aus der ganzen Welt an. Sei es für einen Samstagabend in Clubs wie dem Berghain, wo seit den Nullerjahren Rave, Sex und Nacktheit zusammengehören. Oder im KitKat, Berlins bekanntester Fetisch-Disko, wo es noch expliziter zugeht.
Für die 62-jährige Laura Méritt ist das ein Zeichen dafür, dass Sexualität und Diversität in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. «Berlin ist ein riesiger Spielplatz. Hier gab es immer Raum für Initiativen und kuriose Ideen», sagt sie.
Laura Méritt ist Kulturwissenschaftlerin und Autorin. Sie hat den Spruch «Viva la Vulva» vor Jahrzehnten aus den USA nach Europa gebracht. Heute betreibt sie einen der ältesten feministischen Sexshops in Europa, Sexclusivitäten, in Berlin und organisiert etwa zusammen mit dem Freudenfluss-Netzwerk politische Kampagnen oder auch queere Sextreffen an öffentlichen Orten. Ob eine Frau sexuell erfüllt sein müsse, um selbstbestimmt zu sein? «Sie darf es definitiv, sie muss aber nicht.»
Méritt stiess in den 80ern in den USA auf die sexpositiven Feministinnen. Damals habe es in Deutschland nur wenig Informationen über Sex gegeben, hingegen aber giftiges Sexspielzeug und sexistische Pornos. «Also wurde ich zur Dildodealerin», sagt sie. Sie importierte nachhaltiges Sexspielzeug aus den USA nach Deutschland und verkaufte es an Veranstaltungen, sprach über Funktion, Farbe und Kultur. Damit wollte sie zeigen, wie vielfältig die Sexindustrie sein kann.
«Erst das Wissen zum eigenen Körper, zur Sexualität und zur Gesundheit führt dazu, dass wir selbst bestimmen können, was uns guttut.»
Méritt erklärt, dass beim sexpositiven Feminismus immer das Wissen an vorderster Stelle stehe. Jeden Freitag finden in ihrer Dachwohnung «Freudensalons» statt. In verschiedenen Workshops treffen sich Personen aller Gender und Generationen. Manchmal schauen und analysieren sie Pornos und ihren eigenen konditionierten Blick, manchmal massieren oder betrachten sie ihre Vulven. Noch heute wüssten viele nicht, wie es bei ihnen «da unten» aussehe, sagt Méritt.
Die Klitoris werde oft nur als Perle verstanden. «Erst das Wissen zum eigenen Körper, zur Sexualität und zur Gesundheit führt dazu, dass wir selbst bestimmen können, was uns guttut», sagt Méritt. Egal ob das zu mehr oder weniger Sex führe. Dies spiele auch mit, wenn Rollenverständnisse, Beziehungskonzepte und die patriarchale Struktur verändert werden sollten.
In den letzten zehn Jahren habe sich die Berliner Sexszene geöffnet. Die Kommerzialisierung gewisser Labels jedoch – wie Feminismus, Body-Positivity oder eben sexpositiv – führe dazu, dass nicht immer der Inhalt drinstecke, der versprochen werde. Die meisten Sextoys im kommerziellen Handel seien heute zwar aus gutem Material – «trotzdem zeigen sie noch einen Frauenarsch auf der Verpackung», sagt Méritt. Die Aufklärungsbücher seien noch weit davon entfernt, den weiblichen Komplex einfach nur schon abzubilden. Und die Pornoindustrie? Sei immer noch hauptsächlich eine männerfixierte Fortpflanzungsindustrie.
Die Pornoindustrie ist ein weiteres Streitthema unter Feministinnen. Alice Schwarzer startete bereits in den 80er-Jahren die «PorNo»-Kampagne, die in Deutschland ein Gesetz gegen Pornografie erwirken wollte. Mit der Einschätzung der Kampagne, dass die überwiegende Mehrheit der Mainstream-Pornos diskriminierend, sexistisch und rassistisch sei, stimmt Laura Méritt überein.
Sexpositive Feministinnen wollen Pornos aber nicht verbieten, sondern Alternativen anbieten. Méritt hat gemeinsam mit der Pleasure-Aktivistin Polly Fannlaf und dem Freudenfluss-Netzwerk 2009 den PorYes Feminist Porn Award Europe ins Leben gerufen. Er wird seither jährlich in Berlin verliehen.
Mit PorYes soll eine noch immer wenig beachtete feministische Pornoindustrie hervorgehoben werden. Eine, die gute Arbeitsbedingungen der Darstellenden garantiert, vielfältigen und einvernehmlichen Sex zeigt und unterschiedliche Körper und Geschlechter ehrt. Und gleichzeitig den Blick und infolgedessen das Verhalten und Begehren der Konsumierenden verändert. Sie verdient mit Sex vor der Kamera ihr Geld:
Jasko Fide. Die 37-jährige Darstellerin arbeitet sowohl für Mainstream-Produktionen wie Erika Lust Productions oder Hardwerk als auch für kleinere, queere, in Berlin gedrehte Filme. Sie sagt: «Die gängige Vorstellung, die wir häufig von Pornografie haben, hat nichts mit meiner Arbeit zu tun.»
Sie definiere ihre Arbeit über einvernehmliche Absprachen zwischen Regie, Co-Performerinnen und Performer und vielfältige Darstellungen von Erotik und Sex.
Jasko Fide ist stolz auf ihren Job und darauf, dass sie das Stigma der Branche Schritt für Schritt abbaut. «Es gibt nach wie vor viel Angst, Scham und Tabuisierung von Pornografie und sexueller Aufklärung in unserer Gesellschaft – so fehlt mir häufig die Möglichkeit, zu zeigen, wie und mit welchen Menschen ich arbeite.»
Fide hatte ihr Debüt in der Pornobranche 2015 mit dem Film «Shutter» von Goodyn Green. Die Fotografin und Filmemacherin suchte Performerinnen für ihren neuesten, lesbischen Kurzfilm. Fide bewarb sich aus einem Impuls heraus. «Ich spürte wohl den egozentrischen Wunsch, einen radikalen Schritt zu wagen, mich zu porträtieren.» Anfangs habe sie gar nicht gewusst, ob etwas und was überhaupt dabei herauskomme – «doch das war irgendwie nicht wichtig».
Auf dem Set betonte sie, dass sie gehen würde, wenn ihr etwas nicht gefalle. «Ich war nie besonders exhibitionistisch, eher zurückhaltend.» So spricht Jasko Fide auch heute noch. Behutsam, freundlich, zart.
Greens Film hat vieles verändert. Als ihre Filmszene während des Pornfilmfestivals Berlin prämiert wurde, fühlte sie sich «elektrisiert»: «Ich wusste, das ist die Branche, in der ich arbeiten will. Die Macherinnen und Macher dieser Filme inspirierten mich.»
Wie bei Kristina Marlens hat sich auch Jaskos Verständnis von Feminismus mit ihrem Job «weiterentwickelt», wie sie sagt. «Als Jugendliche haben mich die ersten Pornoclips, die ich gesehen habe, erschrocken. Mit den expliziten Darstellungen konnte ich damals gar nicht umgehen und wusste nicht, ob die gezeigten Aggressionen echt oder nur gespielt waren.»
Seit sie selbst Pornos dreht, hat sie gelernt, dass es nicht auf die Inhalte ankommt, sondern auf die Arbeitsbedingungen. Nicht was, sondern wie es gedreht werde, mache den Unterschied, erklärt sie. «Selbstbestimmung und einvernehmliche Absprachen sind unverzichtbar. Solange das stimmt, sollte jede Person das drehen können, worauf sie Lust hat.»
Für Jasko sollte Pornografie, wie jede andere Filmbranche, gefördert werden. Denn Zensur schade diesen Arbeitsbedingungen. Jasko Fide kann kaum Werbung für sich auf Social Media machen: Obwohl sie sich an alle Regeln halte, sei ihr Profil schon mehrmals gelöscht worden. «Unsere Branche wird als gefährlich angesehen und verdrängt – gleichzeitig bleiben Profile mit faschistischen oder rassistischen Inhalten bestehen», kritisiert Fide.
Statt Zensur brauche es Wissen. Ältere Kinder und Jugendliche sind nur ein Klick von Plattformen wie Youporn oder Pornhub entfernt. Gerade da finden sich die Filme, die für Fide als Jugendliche aufwühlend waren. Es brauche mehr Personen und Institutionen, die den jungen Erwachsenen zur Seite stünden. Das müsse schon in der Schule beginnen – mit respektvoller, feinfühliger sexueller Aufklärung.
Jasko zitiert am Ende die Wissenschaftlerin Madita Oeming: